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News der Mitglieder

05.11.2020
RWV Frankfurt – Richard Wagner auf der Flucht
Merk‘ auf, greif‘ zu, halt’s fest, fang’s ein, nimm’s mit! - Kurz vor dem November-Lockdown veranstaltete der RWV Frankfurt einen Raritäten-Liederabend. hr2-kultur strahlt das Konzert am 7.11. und 14.11. ab jeweils 17 Uhr aus.

Ein Liederabend ohne Brahms, Schubert und Schumann, dafür mit heute kaum bekannten Komponisten wie Wilhelm Baumgartner, Theodor Kirchner, Alexander Ritter und Johann Carl Eschmann wurde für die Mitglieder und Gäste des RWV Frankfurt zum Abschlussevent des Jahres 2020. Musikalisch gestaltet wurde der ausgebuchte Abend im großen Saal des Dr. Hoch’s Konservatorium von der Mezzosopranistin Sylvia Rena Ziegler und Friederike Wiesner am Steinway-Flügel. Das mehrfach preisgekrönte LiedDuo begibt sich immer wieder auf die Suche nach zu Unrecht vergessenen Musikern und wurde in der Zentralbibliothek Zürich fündig. So entstand das Programm mit den „Neudeutschen“ und ihren Wegbereitern Franz Liszt und Richard Wagner.

Die Begegnungen des ehedem königlich-sächsischen Kapellmeisters, der 1849 zum steckbrieflich gesuchten „politisch gefährlichen Individuum“ geworden war, mit den Komponistenkollegen fanden vor allem im Exil in Zürich statt. Sein eigentliches Fluchtziel, Paris, hatte er damals wegen eines Choleraausbruchs wieder verlassen müssen. Während Richard Wagner für die neudeutsche Schule im Bereich Oper prägend wurde, hatte Franz Liszt primär großen Einfluss auf die Entwicklung der symphonischen Dichtung, aber auch in der Liedgestaltung.

Das erläuterte in einem Kurzvortrag Dr. Michael Hofmeister, 1. Publikationsstipendiat des RWV Frankfurt von 2018. Er ist der Autor des gewichtigen Eröffnungsbandes der „Frankfurter Wagner-Kontexte“, der dem Wagner-Verehrer Alexander Ritter gewidmet ist. Wobei Hofmeister seine Ausführungen über „Die Neudeutschen und ihre Lieder“ übertitelte mit der Frage „Auf der Flucht vor Richard Wagner?“ Das war als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Auseinandersetzung mit der neuen Musik die Tondichter vor besondere Herausforderungen stellte. Die Liedgestaltung, so Hofmeister, erwies sich dabei als geeignetes Übungsterrain.

Die vier in sich geschlossenen Liedblöcke des Abends starteten mit „Eine Frühlingsliebe“ von Wilhelm Baumgartner, gefolgt von Wagners „Wesendonck-Liedern“. Die Flora wurde mit Werken von Theodor Kirchner und dem mit besonderer Spannung erwarteten Alexander Ritter besungen; das Element Wasser mit Kompositionen von Franz Liszt und Johann Carl Eschmann.

Sylvia Rena Ziegler (Stipendiatin des RWV Magdeburg) verstand es im höchst anspruchsvollen Programm traumwandlerisch, ihren Mezzosopran jeder Stimmung anzupassen und nuanciert einzusetzen. Sie ließ ihre Stimme ebenso „leise träumen“ wie dramatisch aufblühen; hervorragend auch ihre Textverständlichkeit. Man spürte sofort die Einheit des LiedDuos. Pianistin Friederike Wiesner, die an der HfMDK Frankfurt studierte, war mit ihrem ausgezeichneten Spiel keine Begleiterin, sondern in jedem Moment Partnerin auf Augenhöhe. Der Applaus des begeisterten Publikums wurde mit der Alexander Ritter-Zugabe „Nimm’s mit“ belohnt.

Die Veranstaltung wurde von hr2-kultur aufgezeichnet. Wer also nicht vor Ort dabei war, kann sich in „Musikland Hessen“ einen Eindruck von diesem etwas anderen Konzert verschaffen. Die Ausstrahlung ist in zwei Teilen geplant – am Samstag, 7. November, ab 17 Uhr mit Dr. Michael Hofmeister als Live-Studiogast von Moderatorin Christiane Hillebrand und am Samstag, 14. November, ebenfalls ab 17 Uhr mit dem LiedDuo als Live-Gäste von Moderatorin Susanne Pütz.

Hören Sie die Konzertzugabe von Alexander Ritter (1833-1896): „Nimm’s mit“ (op. 16,2; Text: Peter Cornelius) in der beigefügten mp3-Datei.

 

Dirk Jenders
Vorsitzender des RWV Frankfurt