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23.11.2019
Der langjährige Vorsitzende und Ehrenvorsitzende des Richard Wagner Verbandes Bielefeld ist tot
Günther W. Wilberg erforschte die Geschichte des Richard Wagner Verbands und der Stipendienstiftung
Günther W. Wilberg †
Foto: Ellen Reichardt

Für den Richard Wagner Verband Bielefeld – aber nicht nur für diesen – hat Günther Wilberg sich vielfältige und nachhaltige Verdienste erworben. Er hat strukturbildend gewirkt, seinem Verband in rechtlicher und gestalterischer Hinsicht ein eigenes Gesicht gegeben. Der Richard Wagner Verband Bielefeld als Institution war entschieden sein Werk, spätestens seit 1984, als er den Vorsitz über-nahm, nachdem er die Sanierung des Verbandes abgeschlossen und eine eigene Satzung errichtet hatte.

Als Historiker und künstlerischer Gestalter, als Organisator, als Schriftsteller und überregional gefragter Referent hat Günther Wilberg über weit mehr als 20 Jahre gewirkt. Sein Forscherdrang führte ihn in weite Gefilde des Wagnerschen Themenkreises. Er referierte und schrieb, um nur einiges zu nennen, über Themen der Architektur – „Der Dom zu Siena, Wagners Gralstempel?“ –, der bildenden Kunst – „Richard Wagners Werk und der Jugendstil. Eine Erinnerung an den Maler Franz Stassen“; Albrecht Dürer. Wagner und der „Dürerschnörkel“ –, der musikalischen Interpretation einschließlich des politischen Umfelds – „Hans Knappertsbusch in memoriam“; „Toscaninis Gastspiel in Bayreuth, eine Untersuchung der Vorgänge… bei den Bayreuther Festspielen 1931“ – und nicht zuletzt der Institutionengeschichte – „100 Jahre Theater Bielefeld und seine Wagner-Aufführungen“; „Die Wagner-Festspiele in Detmold 1935-1944“; „Friedrich von Schön, dem Begründer der Richard-Wagner-Stipendienstiftung…“; „30 Jahre Richard Wagner Verband Bielefeld. Mäzenatentum für das Monument einer Idee: Die Richard Wagner Stipendienstiftung“. Letztere lag Günther Wilberg besonders am Herzen als der einzigen, von Richard Wagner selbst autorisierten Institution seines Namens, und zwar in ihrer ursprünglichen Ausrichtung, nicht als Künstlerschmiede, sondern als eine Art  Publikumsfonds für bedürftige Freunde der Wagnerschen Kunst.

Alle Themen hat er gründlich recherchiert. Er hat in Archiven gewühlt und nicht selten Unerschlossenes zutage gefördert, so auch in Eisenach nach der Maueröffnung 1990, wo er die Protokollbücher des „Richard Wagner Verbands deutscher Frauen“ (1909-1949), in Kisten verpackt, auf dem Dachboden fand. In mehr als dreijähriger Arbeit hat er das Material sorgfältig transkribiert und kommentiert. 1993 lag es in Buchform vor (Verlag Gaggstatter Freiburg) und steht seitdem der Forschung wie allen Wagnerverbänden, mit einem Register sämtlicher Namen, als Quellenwerk der eigenen Geschichte zur Verfügung.

Zur Akribie des Historikers gesellte sich die Kreativität des Kunstmalers, Fotographen und Gestalters. Günther Wilberg liebte es, das Erforschte multimedial erlebbar zu präsentieren; Wort, Bild und Ton so ineinander zu verschränken, dass neben der Information ein emotionaler Eindruck blieb, am Ende so etwas wie ein Gesamtkunstwerk en miniature.  Solches praktizierte er übrigens auch an nicht wagnerschen Gegenständen wie  Grünewalds „Isenheimer Altar“, der Pariser „Sainte Chapelle“ oder der mehrchörigen „Missa Salisburgensis“ (1682).

 Zu den überregionalen Leistungen Günther Wilbergs zählt auch sein erfolgreiches Engagement durch Übernahme einer Patenschaft, um in der damals ostdeutschen Wartburgstadt Eisenach  einen Richard Wagner Verband zu gründen. Hierzu stiftete der Richard Wagner Verband Bielefeld   bereits 1990 zwei Stipendien, die Günther Wilberg in der Ostberliner Staatsoper unter den Linden in Anwesenheit des Intendanten sowie Rundfunk und Presse verlieh. Die Feierstunde schloss  mit einem Vortrag des Bielefelder Verbandsvorsitzenden zum Thema „Hans Knappertsbusch in memoriam“. Die im Bayreuther Traditionslokal „Eule“ im Sommer 1990 beschlossene (Neu-) Gründung erfolgte noch im gleichen Jahr in der Eisenacher Fritz Reuter-Villa, die mit der Oesterlein-Sammlung das erste Wagnermuseum überhaupt beherbergt.  

Zu erwähnen ist auch Günther Wilbergs, von 1992 bis 2008 jährlich erschienener „Brief aus Bayreuth“. Unter dem Pseudonym „Wasolt“ (nicht „Wafner“, in Anlehnung an den Bayreuther Musikjournalisten Erich Rappl) lässt er seinem kritischen Geist freien Lauf. Hier entfaltet er sein Talent für Witz, Satire und Ironie und geißelt in seinen Glossen die aktuellen, wagnerfernen Inszenierungen, wobei er mit Bild- und Dialektkommentaren nicht spart. Der zunehmenden Entwicklung hin zur Dominanz des Regisseurs über den Autor konnte er nicht folgen. Er ging auf Distanz, zog sich zurück, wie viele (nicht nur) seiner Generation, wohl wissend, dass die Aufführungen in Bayreuth über viele Jahre zum sinnstiftenden und beglückenden Mittelpunkt seines Lebens gehörten.

Unser Dank gilt seiner vorbildlichen, unermüdlichen, auch gestalterisch beeindruckenden Arbeit am Werk Richard Wagners; unser Gedenken nicht minder seiner behutsam waltenden, warmherzig verbindenden Persönlichkeit, die nebenbei weit mehr als einhundert Stipendiaten in die Welt Wagners und dessen Bayreuther Intentionen eingeführt hat.

Günther W. Wilberg starb am 10. Oktober 2019 im Alter von 90 Jahren.