© Badisches Staatstheater Karlsruhe, Siegfried 2019

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26.01.2020
RWV Frankfurt - Alles außer Kunst
Der Geschäftsführende Direktor der Bayreuther Festspiele, Holger von Berg, zu Gast im Januar-Jour Fixe des RWV Frankfurt.
Er organisiert den Betrieb, er sorgt für reibungsloses Funktionieren und die nötigen Finanzmittel, er kümmert sich um das Marketing, um den Datenschutz und das Endlosprojekt Gebäudesanierung: das und noch viele mehr sind die Aufgaben des Geschäftsführenden Direktors der Bayreuther Festspiele. Seit vier Jahren ist das Holger von Berg. Er hält den Künstlern den Rücken frei - aber was an Kunst entsteht, fällt nicht in seine Zuständigkeit.

Nach seinem Besuch der Tristan-Premiere an der Oper Frankfurt war Holger von Berg am 20. Januar zu Gast bei 46 Mitgliedern des RWV Frankfurt. Es war für ihn auch eine Rückkehr in die Stadt, in der er seine ersten intensiven Begegnungen mit der Welt der klassischen Musik hatte. Während des Studiums in Frankfurt entdeckte er in der Gielen-Zeit sein Faible für die Oper. Jobs im Callcenter und an der Abendkasse der Alten Oper ermöglichten ihm unzählige Konzertbesuche. Der Weg des Volkswirts in den Kulturbetrieb wurde so gewissermaßen vorgezeichnet. 

Erste Verpflichtungen führten ihn an die Theater in Neustrelitz und in Regensburg, wo er 1999 auch Stipendiat des dortigen RWV wurde. Vierzehn Jahre lang war er anschließend Geschäftsführer des Residenztheaters in München unter Intendant Dieter Dorn. 2016 folgte der Wechsel nach Bayreuth - vom Sprechtheater zur Musik. Was unterscheidet für ihn die Arbeit von Sängern und Schauspielern? „Beim Musiktheater ist Disziplin die zentrale Herausforderung, beim Schauspiel der Exzess.“

Die zentrale Herausforderung für den Geschäftsführenden Direktor ist und bleibt die Generalsanierung des Festspielhauses. Ursprünglich sollte sie im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Aber noch nicht einmal zum 150jährigen Bayreuth-Jubiläum 2026 wird es klappen. Erst Ende des Jahrzehnts hofft von Berg, mit allem durch zu sein. „Bis dahin ist die Bühnen-technik aber partiell schon wieder veraltet.“ Eine Übertitelungsanlage werde aus Denkmalschutzgründen sicher nicht kommen. Stattdessen wird man in Bayreuth möglicherweise fein gekleidete Besucher mit futuristischen Datenbrillen erleben. Für Rollstuhlfahrer wird eine Loge um- und dafür im Treppenhaus ein Aufzug eingebaut. Die Planungen sind jedoch komplexer, da man bei der Barrierefreiheit auch weiterdenken müsse (WC-Ausstattung, Zugang zum Festspielrestaurant und zu den Parkplätzen etc.). Sechs Rolli-Plätze und weitere sechs Begleiterplätze wird die Loge aufnehmen können. Und was hält Sanierungsexperte von Berg von den Alternativen für die Erneuerung der Frankfurter Theaterdoppelanlage - verlegen oder umbauen? Seine Meinung ist eindeutig: „Ein Theater gehört mitten in die Stadt.“

Auf dem Grünen Hügel plagen ihn andere Sorgen. Zum Beispiel Rückzugstendenzen bei großen Sponsoren aus der Wirtschaft. Waren Festspielbesuch und Bayreuth-Förderung dereinst ein Muss für Wirtschaftskapitäne, gehört die Präferenzen der CEOs von heute eher dem Fußball. Aber ihm ist wichtig zu betonen, dass die Festspiele trotz der immensen Herausforderungen an Betrieb und Sanierung auf einem soliden finanziellen Fundament stehen. Auch das Thema Nachwuchs brennt der Festspielleitung ebenso auf den Nägeln wie den Wagner-Verbänden. An Ideen fehlt es nicht in Bayreuth. Die Kinderoper gehört dazu, und der “Diskurs Bayreuth“ als Öffnung für aktuelle politische Diskussionen. Auch die Übertragung von Aufführungen in die Kinos. Wobei es von Berg lieber wäre, wenn das nicht bei der Premiere passierte;
denn an diesem Tag stehen die Künstler ohnehin unter Hochdruck.

Schließlich gilt es auch, die Strategien beim Kartenverkauf zu optimieren und den Schwarzmarktsumpf trockenzulegen. Für Kartenbesteller hat Holger von Berg hilfreiche Tipps: Am ehesten erhält man die gewünschten Plätze, wenn man für Werktage in der zweiten Hälfte der Festspielzeit ordert. Das beste Preis-Leistungsverhältnis besteht in der ersten Reihe der Galerie. Höhere Zuteilungschancen gibt es in den Preiskategorien 3 und 4, da dort ein recht großes Platzkontingent vorhanden ist. Was man sich auch immer an bestimmten Plätzen wünscht, die Zuteilung innerhalb der gewählten Kategorie bestimmt allein ein Algorithmus. Aber man arbeitet daran, dass die Festspielbesucher künftig ihre Platzauswahl noch gezielter vornehmen können. 

Und was stellt sich Holger von Berg als Besonderheit zur 150-Jahr-Feier der Festspiele 2026 vor? Ginge es nach ihm, würde bei einem namhaften Komponisten ein Werk in Auftrag gegeben: wie würde Richard Wagner heute komponieren? Eine Uraufführung also zur Jubiläums-eröffnung. Aber das zu entscheiden fällt, wie gesagt, nicht in die Kompetenz des Geschäftsführenden Direktors.