© Badisches Staatstheater Karlsruhe, Siegfried 2019

News des Präsidiums

29.03.2020
Einige weitere interessante Links zu digitalen Operninhalten
Jonas Kaufmann und Ludovic Tezier plädieren für Hilfe für Sänger und Valentin Schwarz erklärt, warum Offenbach und Wagner Ähnlichkeiten haben


CORONA, CORONA“ mit Jonas Kaufmann – für „Sängerhilfe.de“ (video)


https://onlinemerker.com/wp-content/uploads/2020/03/84c65fa8-7498-4a5a-a60f-8d010ad1e559.mp4

Bitte erwägen Sie eine Spende an Sängerhilfe

https://www.saengerhilfe.de/

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Wie arbeitet Valentin Schwarz? Kann er in diesem Festspielsommer überhaupt arbeiten? Bleibt uns etwas erspart?



Noch ist Bayreuth nicht verloren! Es sieht allerdings nicht gut aus. Aber vielleicht geschieht noch ein Wunder.
Von wem das ausgehen kann? Hierorts sehe ich niemand!
3 SAT hat Valentin Schwarz bei den Probenarbeiten in Dresden (Für Offenbach) beobachtet.
Schauen Sie nach – ab Minute 18

ZUM VIDEO – https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/sendung-vom-26-maerz-2020-100.html

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Ludovic Tézier (foto: Barbara Zeininger) wendet sich an die Redaktion von Forum Opéra mit folgender Botschaft, als Reaktion auf die aktuelle Situation, in der sich Künstler seit einigen Wochen befinden

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde, liebe Feinde, liebe Kultur-und Opernliebhaber,

Seit Beginn der Krise, die unser Land und den Rest der Welt in Atem hält, sind viele Bereiche unserer Lebensweise in ihren Grundfesten erschüttert, und viele von uns sind frontal von den, offensichtlich notwendigen, Einschränkungen hart getroffen worden.

Unser Beruf ist in einen abgrundtiefen Sog geraten und sucht verzweifelt nach einem Rettungsanker.

Wenn wir uns nicht bei den zuständigen Verantwortlichen, für die wir klarerweise in dieser Situation nicht im Zentrum des Interesses stehen, Gehör verschaffen, wird unsere kleine Gilde unwiderruflich niedergewalzt; hier denke ich vor allem an die Verwundbarsten, an die Jüngsten, deren Überleben vom nächsten Honorar abhängt. Unsere Existenz ist, entgegen des weit verbreiteten  Irrtums des sorglosen Künstlerlebens, von der Jagd nach dem nächsten Engagement geprägt und verlangt ein Verplanen der Zukunft, so wie es sich kaum einer vorstellen kann, der nicht den Beruf ausübt.

Man muss verstehen, dass so eine plötzliche Theatersperre, ohne begleitende finanzielle Unterstützung für die Betroffenen, in vielen Fällen einen verheerenden Faustschlag  bedeutet. Ich persönlich kann nicht behaupten, dass ich mich in so einer extremen Situation befinde, obwohl jeder von uns, jeder auf seinem Niveau, hart damit zu kämpfen hat.

Das ist die Ausgangsituation, die ein gemeinsames Handeln mit einer gemeinsamen Deklaration der Opernsänger mehr als berechtigt macht. Und wenn gewisse Unzulänglichkeiten durch den Schock der Situation zu erklären sind, liegt das Problem viel tiefer und betrifft das Überleben unseres Berufes, nicht nur in den nächsten Tagen und Wochen, sondern im nächsten halben Jahr und vielleicht darüber hinaus..

Wer, ob Sänger oder nicht, weil dieses Problem natürlich weit über unsere Gemeinschaft hinausgeht, ist schon im Stande ohne größere Schwierigkeiten von seinen Ersparnissen sechs Monate und länger zu leben?

Ich persönlich bin entsetzt, obgleich leider nicht überrascht, dass unsere „ideale Operngemeinschaft“ sich im gegenwärtigen Debakel als eine „illusorische Familie“ erweist. Ich stelle wirklich die Frage: wie ist es möglich, dass die Opernhäuser dieser Welt, angesichts der Urkraft dieser Pandemie, immer noch nicht verstehen, dass ihr eigenes Überleben, ihre eigentliche Existenzberechtigung auf den Sängerinnen und Sängern und ihrer Stimme basiert?

Wie ist es möglich, dass diese Gemeinschaft der Opernhäuser sich nicht mit den Sängerinnen und Sängern solidarisiert und mit ihrer institutionellen  Autorität, die Interessen dieser „Familie der Opernschaffenden“ vor den Verantwortlichen vertritt, um sie vor dem Untergang zu retten. Und diese Rettungsaktion sollte für alle sein, auch für diejenigen, deren Arbeitsverhältnis nicht gesichert ist und ohne die eine Opernvorstellung nicht zustande kommen kann.

Die Uneinigkeit führt zum Untergang. Der finanzielle Rückzug der Operninstitutionen, verbunden mit Nichteinhaltung von existierenden Verträgen und Blockierung von zukünftigen, hilft nicht, um es milde auszudrücken, denen aus dem Schlamassel, die das Leben und die Attraktivität dieser Bühnen ausmachen.

Im Übrigen hat, in Frankreich, Herr Kulturminister F. Restier noch vor kurzem diese Institutionen aufgefordert sich um die Honorare der Künstler zu kümmern, was man im Moment bei den Konzert- und Opernveranstalter nicht erkennen kann.

Ich hoffe auch aus tiefem Herzen, dass alle anderen Berufe die nötige Unterstützung bekommen und in erster Linie alle im Gesundheitswesen, wo viele meiner Freunde an vorderster Front tätig sind und die tagtäglich Unglaubliches leisten, im Dienste von uns allen.

Es ist sicher wahr, dass die Operntheater seit Jahren unter einer chronischen Kürzung der Subventionen leiden, als Resultat nicht eines Liebesentzugs seitens des Publikums, das jeden Abend die Säle füllt, sondern eines seit langem bestehenden Desinteresses seitens der Politiker, die das Budget verantworten und in ihrer Sparwut so weit gegangen sind, dass sie sogar an einer Säule unserer Gesellschaft-dem Gesundheitswesen gesägt haben, wie man jetzt, in dieser düsteren Stunde, unglücklicherweise feststellen kann.

Obwohl es jetzt, meiner Meinung nach, nicht die richtige Zeit ist etwas anderes zu fordern, als Hilfe und Gerechtigkeit, ist es umso unpassender auf dem Rücken von jenen zu sparen, die in so einem Fall durch nichts und niemanden geschützt sind. Es wäre an der Zeit, sich darüber klar zu werden, dass sie wichtig und nicht austauschbar sind.

Neulich habe ich, als Antwort auf ein schönes Kompliment seitens eines unserer großen Ärzte gesagt „Ja, aber wir retten nicht Menschenleben!“, worauf er: „Aber Ihr helft uns sie zu retten, weil Ihr uns helft zu träumen“.

Alles, was die Gesellschaft positiv beeinflusst, macht sie besser und menschlicher. Das ist unser, gar nicht so bescheidener Beitrag: das Schöne und Erhabene zu vermitteln. In diesem Sinne sind wir keine Anhängsel.

Um die Isolation als weniger deprimierend zu empfinden, hat der Präsident der Republik Emmanuel Macron in seiner letzten Ansprache unsere Mitbürger aufgefordert, die einfachen Werte wiederzuentdecken, die Kultur wieder schätzen zu lernen. Zur gleichen Zeit senden diese Theater, die unisono ihren Künstlerinnen und Künstler den Rücken gekehrt zu haben scheinen, kostenlose Streamings von wunderbaren Vorstellungen, um das Eingesperrt-sein für die Bevölkerung erträglicher zu machen.

Gibt es einen besseren Beweis, dass wir nicht Accessoires sind und dass man uns in angsterfüllten Zeiten braucht?

Und wie ehrenvoll ist es unsere Brüder und Schwester in einer prekären Situation für einige Stunden zu unterhalten!

Ich appelliere an die Opernhäuser, ihre Künstlerinnen und Künstler nicht so unwürdig zu behandeln! Das Publikum kommt wegen uns, manchmal von sehr weit weg! Missachten sie nicht diejenigen, um deren Willen Ihr Subventionen bekommt, die Euch am Leben erhalten!

Ich weiß nicht wieviel Gewicht mein Name in der gegenwärtigen stürmischen Lage hat, sicher nicht viel. Aber ich möchte meine Stimme erheben in meiner Eigenschaft als Sänger, der im Laufe einer nunmehr 30 -jährigen Kariere mit glanzvollen und schwierigen Episoden, im Dienste unserer Opernhäuser gestanden ist. Jeder, der mich kennt weiß, dass ich, genau, wie meine Berufsfreunde, das Bestmögliche in jeder meiner Rollen auf der Bühne gebe: ich lasse dort, wie sie alle, meine Energie, meine Leidenschaft, oft auf Kosten meiner Liebsten.. wenn ich fern von zu Hause bin, einen großen Teil von meinem Leben, ein Stück von meiner Seele. Das ist der Preis dieses Berufs. Und ich liebe diesen Beruf, wie sie alle auch!

Ist die Kultur wichtig für unser Leben? Und die Oper? Ich bin sicher: jeder hat seine eigene Antwort darauf, je nachdem was man unter „Leben“ versteht. Aber die Frauen und Männer, die für Sie auf der Bühne stehen-mit der Angst, ob das geschwollene Stimmband  sie nicht im Stich lässt, mit der Unsicherheit, sich mit angeschlagener Stimme dem Publikum auszusetzen, manchmal in extremen Situationen-nach einer Trennung, oder nach dem Tod eines geliebten Menschen-diese Frauen und Männer bieten nicht nur ihre Kunst, das Resultat harter Arbeit und vieler Opfer, sondern ihre gesamte Persönlichkeit: sie bringen Farbe in unserer entzauberten Gesellschaft. Ich wünsche einem jeden, so wie ich die Chance zu haben, sich von diesen wunderbaren Künstlern verzaubern zu lassen.

Man muss diesen Beruf retten, man muss diejenigen retten, die das Licht auf die Bühne bringen, sonst werden die Lichter nach und nach erloschen sein.

Im Namen von alledem und im Namen von meinen Kolleginnen und Kollegen, die ich bewundere, bitte ich Sie diesen Alarmruf richtig zu verstehen und nicht zu erlauben, dass es ein Schwanengesang wird… für uns alle und für die kommende Generation.

Mozart, ohne die Sänger und die Musiker, die seine Musik zum Leben bringen, wäre endgültig tot und die Operntheater, die ihre besten Verteidiger-die Sängerinnen und Sänger, nicht unterstützen, schaufeln ihr eigenes Grab.

Ich entschuldige mich im Voraus bei jenen, die in diesem Moment so furchtbar leiden, dass ich mir erlaube diese morbide Metapher zu verwenden.

Aber die gegenseitige Verständnislosigkeit muss ein Ende nehmen, damit wir uns solidarisch gemeinsam retten können.

Ludovic Tezier, übersetz von Maria Prinz

das ist der Link zur Publikation in Forum Opéra 
https://www.forumopera.com/ludovic-tezier-a-mes-collegues-au-public-aux-theatres-lyriques